Berufsunfähigkeit – gesetzliche Grundlage
Zu Beginn ein „aktuelles“ Urteil im Bereich Berufsunfähigkeit und Rente, die gesetzliche Grundlage besser zu verstehen.
Aktenzeichen: 1 BvR 3588/08 und 1 BvR 555/09, Beschluss vom 11. Januar 2011: “Die Kürzung von Renten bei verminderter Erwerbsfähigkeit ab 2001 ist rechtens (Wer aber wurde gefragt?). Dieses Urteil bestätigt die Volatilität der gesetzlichen Grundlagen im Sozialstaat.
Der Gesetzgeber durfte den sogenannten Zugangsfaktor auch für Betroffene kürzen, die zu Rentenbeginn noch keine 60 Jahre alt waren, wie das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss entschied. Zur Begründung hieß es, die Regelung diene dem “legitimen Ziel”, die Finanzierung der gesetzlichen Rente zu sichern”. Wo aber kam dieses Geld seit dem hin? Immer öfter spricht man von Altersarmut.
Berufsunfähigkeit – gesetzliche Situation
Bis Ende 2000 wurde durch die gesetzlichen Rentenversicherungsträger (BfA, LVA, Knappschaft, Seekasse etc. ) an Personen, die nicht erwerbsunfähig waren, jedoch ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben konnten, die sogenannte Berufunfähigkeitsrente gewährt. Den sogenannten Berufsschutz für unter 40-jährige (Geburtsjahrgänge ab 1961) gab es nun nicht mehr. Wer ab 2001 in seiner Erwerbsfähigkeit eingeschränkt und nicht mehr in der Lage ist, seinen bisherigen Beruf auszuüben, der kann auf alle üblichen Tätigkeiten verwiesen werden. Im Rahmen der Verweisung spielen Status, Ausbildung und subjektive Zumutbarkeit keine Rolle mehr, so dass auch Berufe und Tätigkeiten mit deutlich weniger Einkommen und Anforderungsniveau ausgeübt werden müssen.
Wer hat überhaupt Anspruch auf Erwerbsminderungsrente (Auszug):
- Azubis ab dem ersten Tag nur bei Arbeitsunfällen und ab dem zweiten Jahr auch bei Krankheiten und Freizeitunfällen
- Sie müssen mindestens fünf Jahre versichert sein (sogenannte allgemeine Wartezeit).
- In den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung müssen drei Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sein (besondere versicherungsrechtliche Voraussetzung).
- Es gibt noch viel an Ausnahmen und möglichen Anrechnungszeiten – bitte beachten.
Konkret wird dabei die Vorschrift de § 53 Abs.1 SGB VI geprüft, soweit nicht in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der EM mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge vorliegen. Auch § 43 Abs 5 SGB VI ist zu beachten. Die Höhe der Rente bemisst sich zum einen nach dem Durchschnittswert aus der sogen. Gesamtleistungsbewertung. Zum anderen wird ab Eintritt der Erwerbsminderung bis zum 62. Lebensjahr eine Zurechnungszeit hinzugerechnet, die aber eben auch die Höhe des zuvor ermittelten Gesamtlleistungswerts Bezug nimmt.
Bei einer Arbeitsfähigkeit von mindestens 6 Stunden und mehr täglich – egal in welchem Beruf auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt – gilt man als vollschichtig leistungsfähig und erhält somit keine Rente. Hier reicht die Möglichkeit der (abstrakten) Tätigkeit bereits aus.
Hinweis: Diese Verweisbarkeitsregelung auf alle am allgemeinen Arbeitsmarkt üblichen Berufe gilt nicht für Versicherte, welche vor dem 02.01.1961 geboren sind. (Also leben wir hier in einer Zweiklassengesellschaft und der Einzelne kann, egal wie seine bis dahin erreichte wirtschaftliche Stellung war, in jede erdenkliche Tätigkeit verwiesen werden). Für diesen Personenkreis bleibt nach der Vertrauensschutzregelung des § 240 Abs. 1 SGB VI ein Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente (jetzt Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ) bestehen, auch wenn der Rentenantrag nach dem 31.12.2000 gestellt worden ist. (Vertrauensschutz in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Geburt (Datum).
Berufsunfähig sind nach der gesetzlichen Regelung des § 240 II SGB VI zunächst alle Personen, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist.
Tätigkeit – Beruf
Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Wenn also fest steht, dass ein Versicherter in seinem bisher ausgeübten Beruf nicht mehr arbeiten kann, prüft der Rentenversicherer weiter, ob ein zumutbarer Verweisungsberuf ausgesprochen werden kann. (Alle hier zu Grunde liegenden Begriffe, die die Möglichkeiten einer Tätigkeit definieren (Zumutbar, Verweisungsdefinition) sind nicht definiert und geben unbegrenzten Freiraum, nicht zahlen zu müssen.
Erst kommt die Krankschrift. Immer öfter wird eine Berufsunfähigkeit daraus und die Prüfung der Erwerbsminderung beginnt. Der Antrag ist dann oftmals nicht mehr fern. Gut, wer per privater Berufsunfähigkeitsversicherung vorgesorgt hat. Dumm, wer hier sparte und möglicherweise eher in den Urlaub fuhr. Setzen Sie Prämissen.
Besonders zu beachten:
Polizisten & Vollzugsbeamte & Feuerwehrbeamte
Bei der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung für diese Berufsgruppen im öffentlichen Dienst sollte eine spezielle berufsbezogene Dienstunfähigkeitsklausel mit vereinbart werden. Achtung vor sogenannten unechten Dienstunfähigkeitsklauseln. Dabei ist darauf zu achten, dass in den Versicherungsbedingungen eine exakte und mit der Realität übereinstimmende Definition des ausgeübten Berufsbildes vorliegt. Wird in den Bedingungen nur auf die allgemeine Dienstunfähigkeit verwiesen, kann das zur Nichtzahlung im Leistungsfall führen. Bei einer speziellen Dienstunfähigkeitsklauseln sind die Leistungskriterien bereits dann erfüllt, wenn die Beamtin bzw. der Beamte den besonderen gesundheitlichen Anforderungen an seinen Dienst nicht mehr genügt und seine Dienstfähigkeit nicht innerhalb eines Jahres wiederhergestellt werden kann. Bitte beachten Sie dabei auch die Bestimmung des entsprechenden Dienstherren.
Die Welt wird vom Geld regiert – bleiben Sie regierungsfähig.
Begrifflichkeiten der Bestimmung: (Alle hier zu Grunde liegenden Begriffe, die die Möglichkeiten einer Tätigkeit definieren (Zumutbar, Verweisungsdefinition) sind nicht wirklich „greifbar“ und geben Freiraum zur Interpretation und damit zur Nichtzahlung) In der privaten Vorsorge wären solche Formulierungen ein „Horror“, allerdings hat auch diese Vorsorge (privat) z.T. solche Bestimmungen. Schon allein aus diesem Grunde sind die am klarsten formulierten Bestimmungen im Marktvergleich zu finden und zu bevorzugen. Gut, dass andere Anbieter oftmals teurer sind.
Erste Informationen gibt es im Downloadcenter in Form eines Leitfadens für die Berufsunfähigkeitsversicherung. Die gesetzliche Grundlage ist dort auch mit zu finden.
Frank Dietrich Fachmakler