Die Absicherung „Schwerer Krankheiten“ wird fälschlicherweise noch immer als Alternative zur Berufsunfähigkeitsversicherung bezeichnet. In einer aktuellen Werbung las ich, dass ein Tool zur Beratung verspricht, dass der Vermittler mithilfe von Fragen entscheiden kann, welches Produkt besser zu seinem Kunden passt. Nonsens, denn es ist immer die Berufsunfähigkeitsversicherung, die passt. Ich habe in den letzten Jahren nur eine Absicherung gegen Schwere Krankheiten verkaufen müssen. Meines Erachtens gibt es für diese Absicherung kaum einen Bedarf.

Der Kunde soll die Produktentscheidung treffen, kein Vermittler und auch kein Tool. Erst die Berufsunfähigkeitsversicherung prüfen. Auch mit einem Leistungsausschluss, scheint sie mir noch immer die bessere Lösung. Aber Achtung, jeder Anbieter formuliert Leistungsausschluss anders. Auch  kann man bei manchen Anbietern vereinbaren, diesen später nochmals überprüfen zu können.

Sicherlich ist die finanzielle Machbarkeit bei vielen Berufsgruppen schwerer darstellbar. Die Prämissen des Kunden ändern sich erfahrungsgemäß, wenn ihm bewusst wird, wie existenziell wichtig die Absicherung ist. Wer früh mit der Absicherung beginnt, wird diese Probleme nicht haben. Die Eltern sind gefordert.

Die Berufsunfähigkeitsversicherung befindet sich im Wandel. Die Qualität bei den leistungsstarken Versicherern gleicht sich immer mehr an. Neue Tarifmerkmale entstehen und werden werbewirksam eingesetzt.

Schwere Krankheiten.

Die Absicherung gibt es schon lange. Die Inhalte, inbesondere die Regulative der Bestimmungen scheinen per „Paste & Copy“ aus der Berufsunfähigkeitsversicherung transferiert worden zu sein.

Mithilfe von sogenannten vereinfachen Nachweisen versprechen die Anbieter im Falle einer schweren Erkrankung Leistung. Meinen Sie wirklich, die Anbieter werden nicht auf die vorvertragliche Anzeigepflicht bei Antragstellung prüfen? Schnell wird relativ! Ich hörte sogar von präventiven Maßnahmen, die angeboten werden. Ich bin auf das Konzept gespannt. Das Thema ist nicht neu.

Ein guter Zeitpunkt die vereinfachten Nachweise näher zu betrachten.

Die Alte Leipziger erschien als Erstes mit Leistungen bei Krebserkrankung.

  • Der Nachweis besteht aus der vollständigen Darlegung der Erstdiagnose, der Art und Ausbreitung der Erkrankung, der Nennung des Behandlungsplans und, man glaubt es kaum, die Dokumentation einer erfolgten Operation. Wie verhält sich das mit den Bestimmungen, das operative Maßnahmen in der „Arztanordnungsklausel“ nicht zwingend erfolgen müssen, um Leistung zu erhalten. Nicht jede Krebserkrankung bedarf eine Operation, wie zum Beispiel Blutkrebs. Deshalb ist dieser Krebs nicht weniger gefährlich.

Die LV 1871 folgte mit einem umfassenderen Angebot.

  • Bei Krebs zählt der Nachweis einer Chemo- oder Strahlentherapie bei bereits begonnener Metastasierung. In meinen Augen die weit bessere Formulierung.
  • Hingegen muss bei einem Herzinfarkt eine dauerhafte Einschränkung der Ejektionsfraktion, trotz medikamentöser Einstellung von unter 30 % über 14 Tagen nachgewiesen werden. Unklar hingegen ist, wie man die 30 % von einem unbekannten Ausgangswert her bestimmen soll und welche der vier Kammern mit der Ejektionsfraktion betroffen sein soll/muss.
  • Ein Schlaganfall muss in der Folge eine Minderung der Kraft einer Körperhälfte (!) über 14 Tage begründen. Auch hier die Frage, wie der unbekannte Ausgangswert der Kraft bestimmt wird, wenn man die Einschränkung, deren Höhe nicht angegeben ist, messen möchte. Sehr oft fallen nur wenige Lähmungserscheinungen an, eher Wahrnehmungsstörungen sowie Sprachstörungen, sind zu nennen.
  • Das Sitzen im Rollstuhl, eine Querschnittslähmung zu dokumentieren, scheint mir die bisher klarste, weil einfachste Definition zu sein.
  • Der vereinfachte Nachweis bei Verlust von Sprache, gehört oder Augenlicht ist denkbar unklar definiert. Ab wann genau spricht man vom Verlust der Sprache? Dasselbe gilt für das Sehvermögen oder Hörvermögen. Hat jemand das Sehvermögen verloren, der noch hell und dunkel unterscheiden kann? Fragen über Fragen, definitiv keine Klarheit.

Befristetes Anerkenntnis.

Beide Anbieter haben die Bestimmung für Leistung bei Schwerer Krankheit an der Stelle angesiedelt, an der auch Berufsunfähigkeit definiert wird.  Niemand aber erklärt, ob er dadurch in die Leistung bei Berufsunfähigkeit eintritt oder nicht.

Nirgends finde ich eine Klarstellung, die ich Dirigent erwartet hätte. Kommen diese Leistung in einem befristeten Anerkenntnis gleich? Diesen Sachverhalt offenzulassen benachteiligt in meinen Augen den Versicherten.

Schlussbetrachtung:

Ich sehe in dieser Entwicklung einen sehr geringen Mehrwert. Sagen wir einmal so, die Aufnahme dieser Tarifmerkmale kann nicht grundsätzlich schadhaft sein. Die Definitionen, die zum Leistungsfall führen sind nicht ausreichend durchdacht, meistens unvollständig und interpretierbar. Der Versicherer verpflichtet sich bei diesen Angeboten nicht unbedingt zur Leistung, wenn er nicht möchte. Das erklärt in meinen Augen, dass diese „Mehrleistungen“ nicht beitragsrelevant zu sein scheinen. Ob zukünftig Formulierung aus der Grundfähigkeitsversicherung folgen?

Spätestens dann, wird klar und deutlich, dass die Absicherung gegen Schwere Krankheiten und gegen Verlust von Grundfähigkeiten keine Alternative, sondern eine Ausschnittsdeckung gegenüber der Berufsunfähigkeitsversicherung sind.

Während ich den Artikel schrieb, hörte ich im Radio von einem Mann der mit 35 Jahren an COVID-19 erkrankte. Keine Risikogenerationen! Nach drei Wochen stationärem Aufenthalt konnte er seine Wohnung wieder aufsuchen. Die Lunge ist derart geschädigt, dass er immer nach ein paar Stufen treppensteigen eine längere Pause einlegen muss. Sein Beruf, er war Handwerker, wird er nicht mehr ausüben können. Ein klarer Leistungsfall für eine Berufsunfähigkeitsversicherung.

Echte Mehrwerte sind geschlossene Aufzählungen, welche Nachweise man im Leistungsfall zu erbringen hat. Welche Art Nachweis und von wem. Facharzt oder Uniklinik? Ist ein MRT des Gehirns bei Multiple Sklerose ausreichend?  Was die Formulierung „im Sinne der Bestimmungen“  greifbar erklärt und messbar macht, wäre eine Mehrwert. Der Vertrieb hätte dann ein Freizeit-und kein Umsatzproblem und an die Stelle von Werbung würde Aufklärung treten.

Frank Dietrich Fachmakler

Meine Fachgebiete:

Private Krankenversicherung

Berufsunfähigkeitsversicherung

Pflegezusatzversicherung

 

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