Allianz bewertet und vertreibt!
Die Allianz veröffentlichte eine Broschüre (Download unten) in dem Sie die Verkaufsargumente der Wettbewerber auf den Prüfstand stellt. Natürlich ist der eigenen Prüfstand gemeint, der nicht unbedingt etwas mit dem zu tun haben muss, welches ein Interessent als wesentlich und wichtig erachtet. Ich vermute, dass hier mehr der nicht spezialisierte Vermittler angesprochen werden soll. Seit wann ist diese „Beurteilung“ gibt, ist mir nicht wirklich bekannt – sie ist derzeit wohl aktiv am Markt.
Nachdem der Anbieter nun auch über das Pay-Back System seine Versicherungsprodukte anbietet, sollte man die Aussagen des Anbieters näher betrachten. Zumal auch noch die rechtliche Zuläsigkeit zu Pay Back Vertrieb zu prüfen ist (Tippgeber oder Vermittler, ggf. Sachkunde, Dokumentation mit Risikohinweisen, Übergabe der AVB etc.).
Mit großer Sorgfalt oder fachlichem Engagement scheint die Broschüre zur Berufsunfähigkeit meiner Meinung nach nicht verfasst worden zu sein. Ein erster Fehler findet sich bereits bei kurzen überfliegen auf Seite 2. Es geht um die Alte Leipziger, die nicht, wie hier behauptet, auf die Formulierung „mehr als altersentsprechender Kräfteverfall“ verzichtet. Der Anbieter ist bisher der einzige am Markt, der beide Formulierungen (mit und ohne: „mehr als….“) im Vertragstext führt. Erst lesen und dann behaupten.
Bleiben wir bei diesem Sachverhalt. Mit Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes Ende 2008 wurde diese Bestimmungen Paragraph 172 des VVG, Satz 2 eingeführt. Fast jeder Anbieter übernahm dieses mit dem Hinweis, man wolle doch nicht einen Kräfteverfall, der altersbedingt üblich sei, zur Leistungsgrundlage machen. So rum argumentiert ist das nicht falsch. Allerdings befinden sich diese „erklärenden“ Hinweise nicht im Vertragstext, also müssen wir uns zwingend notwendigerweise mit der Negativbetrachtung befassen. Drehen wir die Argumentation einfach mal um 180°. Was bleibt?
Im Leistungsfall müsste ein Kunde belegen, dass seine „Entkräftung“ über dem altersentsprechenden Kräfteverfall läge. Heißt das jetzt, das eine Bandscheibe zu einen festen (üblichen) Zeitpunkt kaputtgehen darf? Ich denke nicht. Wer solche Formulierungen mit sich führt, sollte eine Liste beiliegen, was altersentsprechend ist und was nicht. Gäbe es die rundlage einer solchen Liste, wäre die logische Schlussfolgerung, dass wir alle 08/15 sind und Individualität in dem Bereich der Märchen gehört. Krankheiten würden bei jedem gleich verlaufen die gleiche Intensität haben. Ich denke, ein weiterer Kommentar erübrig sich zu dieser Formulierung.
Auch kommentiert man den Paragraphen 163 des Versicherungsvertragsgesetzes. Der Verzicht auf diesen Paragraphen soll nachteilig sein. Es ist richtig, dass ein Vermittler auf die „Brutto-Netto Schere“ zu achten hat. Ein Kunde kauft im Zweifelsfall „brutto“, zahlt aber (gegebenenfalls nur vorübergehend) den Nettobeitrag. Erste Anpassungen von Netto in Richtung Brutto, nicht nur bei der Nürnberger und der WWK, konnte der Markt bereits verzeichnen. Je geringer der Unterschied zwischen Netto und Brutto, desto besser für den Versicherten.
Interessanterweise bietet der Anbieter Allianz denselben Verzicht an in einem seiner Tarife an (Tarif „E 356″). „Mal so, mal so, macht uns nicht alle froh“, liebe Allianz. Sofern ein Vermittler dieser Werbung folgt und gegebenenfalls diesen Tarif selbst anbietet, so stellt sich die Frage, ob die Allianz einen Vermittler gefunden hat, der gutes Geschäft einreicht oder vielleicht noch nie selbst vermittelten Vertrag inhaltlich geprüft und gelesen hat.
Zur Pflege wird kritisiert, dass „in der Regel“ ein Pflegebedürftiger auch berufsunfähig ist. „In der Regel“ lässt Ausnahmen zu (ein besonderes Beispiel: Stephen Hawkins).
Die Schlussfolgerung, dass die Regelung der Konkurrenten bezogen auf die Einschätzung der Pflegeleistungen bei weniger ADL Punkten schlechter ist, kann ich nicht wirklich nachvollziehen. Das sollte im Zweifelsfall der Kunde selbst entscheiden und für meinen Empfinden ist es kundenfreundlicher, nur eine Bedingung von vier erfüllen zu müssen, als als drei von sechs.
Zu guter letzt möchte ich mich über die Schülerklausel äußern. In der Kritik ist das Wort Beruf in Gänsefüßchen gesetzt.
Sicherlich will man dabei darauf hinweisen, dass ein Schüler keinen Beruf ausübt. Das es richtig, aber wie kann man dann Hausfrauen und Hausmännern versichern? Hier wäre dieselbe Kritik angebracht. Neben der beruflichen Stellung versichert ein guter Anbieter aber neben der Tätigkeit auch die soziale Lebensstellung. Ein Gymnasiast könnte, begründet durch Unfall oder Erkrankung (ein solchen Fall habe ich im Bestand) zukünftig maximal „nur“ noch die Hilfs-Schule statt dem Gymnasium besuchen können. Der Leistungsfall würde in diesem Beispiel durch die Veränderung der sozialen Stellung ausgelöst.
Schöne Worte / Meinungen = Versicherungsschutz?
Betrachtet man die weiteren Bestimmung des Tarifes, so finden sich für meine Erfahrung und mein Dafürhalten weit bessere Bestimmungen am Deutschen Markt.
Unabhängig dieses Flyers, der weder eine Vertragsgrundlage, noch eine klare Handlungsgrundlage bildet, stellt sich doch die Frage, warum ein Anbieter sich berufen fühlt, solches auf den Markt zu bringen.
Qualität spricht „wortlos“ für sich selbst. Alle anderen müssen „schreien“, um auf sich aufmerksam zu machen – scheint mir.
Einzig und allein ein Vertragsinhalt wird gekauft. Selbstständige/Freiberufler, siehe Arbeitsunfähigkeitsklausel der Allianz, scheinen mir nicht wirklich Zielgruppe des Versicherers zu sein. Sie ist für meine Kenntnis momentan die schlechteste Bestimmung in den Bereich der Arbeitsunfähigkeitsklauseln – sie leistet lediglich bei Angestellten (Gehaltsempfängern) und die Zahlung selbst ist gegenüber den Angeboten der Konkurrenten auf ein Bruchteil der Versichertenrente begrenzt. Welcher Interessent kann davon ausgehen, sein gesamtes Berufsleben angestellt zu sein?
In Paragraph 5.2 schreibt der Versicherer zur Obliegenheit im Sinne einer Schadensminderung. Seit wann ist die Berufsunfähigkeitsversicherung eine Schadensversicherung? Sie gehört zu den Summenversicherungen.
Wie so oft möchte ich mit der Empfehlung schließen, dass die Vermittler sich nicht auf Werbung verlassen sollten, die kein Vertragsbestandteil darstellt und sich unabhängig von einzelnen Anbietern ein Gesamtbild vom Markt und seinen angeboten machen sollten-selbst gelesen und verstanden. Ansonsten schließen sich jemanden an, der es kann.
Frank Dietrich Fachmakler.
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