Ein Gesetz und zwei Verhaltensweisen
Es geht noch immer um das Problem des prädiktiven Gentests. anzeigepflichtig oder nicht? Beginnen wir mit der Rechtsgrundlage. Hier ein Auszug aus dem Gendiagnostikgesetz, Paragraf 18 Abs. 4, in dem die Verwendung bei Versicherungen geregelt wird:
Genetische Untersuchungen im Versicherungsbereich
- § 18 Genetische Untersuchungen und Analysen im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Versicherungsvertrages.
(1) Der Versicherer darf vom Versicherten weder vor noch nach Abschluss des Versicherungsvertrages
- die Vornahme genetischer Untersuchungen oder Analysen verlangen oder
- die Mitteilung von Ergebnissen oder Daten aus bereits vorgenommenen genetischen Untersuchungen oder Analysen verlangen oder solche Ergebnisse oder Daten entgegennehmen oder verwenden.
Für die Lebensversicherung, die Berufsunfähigkeitsversicherung, die Erwerbsunfähigkeitsversicherung und die Pflegerentenversicherung gilt Satz 1 Nr. 2 nicht, wenn eine Leistung von mehr als 300 000 Euro oder mehr als 30 000 Euro Jahresrente vereinbart wird.
(2) Vorerkrankungen und Erkrankungen sind anzuzeigen; insoweit sind die §§ 19 bis 22 und 47 des Versicherungsvertragsgesetzes anzuwenden.
Antragsfragen und Definition
Betrachten wir die Antragsfragen der Versicherer, so wird nach bestehenden Krankheiten gefragt. Was aber ist eine Krankheit? Gehen wir es Internet und suchen Definitionen, so finden wir überall den relativ unklaren und dehnbaren Begriff des Abweichens von einem Normzustand mit der Störung des Wohlbefindens. Sie wird als Gegenteil zu Gesundheit definiert, wobei die Sache nicht wirklich klarer wird. Die Übergänge sind fließend. Im Sozialversicherungsrecht ist es die Störung des körperlichen oder seelischen Wohlbefinden, somit die eine Abweichung von der Norm „Gesundheit“, wonach Krankheit, eine regelwidriger Körper-oder Geisteszustand ist, der Krankenbehandlung notwendig macht!
Fassen wir also zusammen:
- im Gendiagnostikgesetz ist die Verwendung der Ergebnisse eines solchen Gentests grundsätzlich bis zu den Summen, die im Paragrafen genannt werden, in der Anwendung verboten.
- Dem entgegen (?) spricht das Versicherungsvertragsgesetzes, wenn es dazu verpflichtet, gefahrenerhöhende Umstände dem Versicherer mitzuteilen.
- Der Versicherer fragt nach bestehenden Krankheiten, wobei die Krankheit als solches durch die Definitionen, zum Beispiel, dass es eine Krankenbehandlung notwendig macht, nicht gegriffen werden.
- Auch die Fragen nach Beschwerden oder der regelmäßigen Einnahme von Arzneimitteln und der angeraten Untersuchungen und Behandlungen sind hier nicht gegeben.
Die Dame muss weder behandelt werden, noch fühlt sie sich unwohl. Nach den Definitionen hat sie keine Krankheit, sondern das Risiko, bei gewissen Verhaltensweisen, einen von der Norm abweichenden Zustand zu bekommen (Konjunktiv). Haben wir nicht alle in uns die Veranlagung für Zivilisationskrankheiten, die durch unsere Lebensweise dann zur Krankheit werden? Wäre das nicht dann auch in einem gewissen Maße angabenpflichtig? Menschen mit dunklen Augen neigen zum Darmkrebs. Angabepflichtig?
Der Versicherer positioniert sich dahingehend, dass er der Meinung ist, dass die Krankheit bereits ausgebrochen ist und hier sehe ich die Fehlinterpretation. In Bezug auf die Definition der Krankheit ist das nicht der Fall, auch wenn sie, so der Versicherer, vor Behandlungen dem Arzt diese Genmutation anzugeben hat, denn es besteht „lediglich“ ein erhöhtes Risiko, eine Thrombose zu bekommen. Gäbe es dann die Thrombose, gäbe es auch eine Krankheit. Ein erhöhtes Risiko ist keine Erkrankung und die Anamnese spricht dafür, dass es auch nicht zu einer Behandlungsbedürftigkeit kommen wird.
Eine weitere Argumentation des Anbieters ist eine genetische Disposition mit erhöhter Wahrscheinlichkeit an Brustkrebs zu erkranken. Er argumentiert ganz richtig, dass dieses erst dann anzugeben ist, wenn der Brustkrebs als Erkrankung diagnostiziert wird und damit behandlungsbedürftig ist und Kosten verursacht. Ist es nun die Feststellung eines abnormen Zustands oder Behandlungsbedürftigkeit? Das Gesetz hat entschieden: Behandlungsbedürftigkeit!
Klare Definition?
Demnach sind die Ergebnisse eines prädiktiven Gentests grundsätzlich erst dann zu verwenden, wenn die Versicherungssummen, wie hier genannt erreicht werden. Im Versicherungsvertragsgesetzes hingegen ist geregelt (Anzeigenpflicht Paragraf 19), dass der Versicherungsnehmer die ihm bekannten Gefahrenumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat.
Nun stellt sich die grundsätzliche Frage, welches der Gesetze hier anzuwenden ist, denn es geht um eine grundsätzliche Entscheidung der nicht Verwendung als auch um die Kenntnis von gefahrenerhöhenden Umständen die erheblich sind.
Bei Versicherern nachgefragt
Zitat: „Prädiktive Gentest dürfen von uns nicht beurteilt werden in der Risikoprüfung und sind im Antrag auch nicht anzugeben. D.h., die Kundin muss hierzu gar nichts angeben. Das wollen wir auch nicht. Wir dürfen dann auch keine Unterlagen bekommen.
Ein Gentest wird als prädiktiv bezeichnet, wenn die Untersuchung bei einer Person durchgeführt wird, die zum Zeitpunkt der Untersuchung noch keine Symptome einer Erkrankung zeigt. Sobald jedoch im Rahmen einer Untersuchung aufgrund von Beschwerden oder einer Verdachtsdiagnose eine weitere Untersuchung erforderlich ist, so handelt es sich nicht mehr um einen Prädiktiven Gentest und der Sachverhalt ist im Antrag anzugeben“.
Eine klare und meiner Rechtsauffassung Entsprechende Erklärung. Top!
Alle lehnten die Verwendung ab, wollten nicht einmal wissen, was in dem Test herausgekommen war. Was war denn herausgekommen? Es ging um eine junge Dame deren Mutter drei Kinder zur Welt brachte. Eine Mutation der Gene (V/ VII) erhöhte die Thrombosegefahr. Während der Geburt der Kinder wurde dieses festgestellt und die Kinder im frühen Alter daraufhin untersucht. Die junge Dame hatte dieses Gen, wenn auch in der Ausprägung sehr schwach. Der Versicherer wollte sie nun versichern, nutzte dabei auch das Wissen des Gentests und verbot ihr die Einnahme eines gewissen Verhütungsmittels, welches sie nutzte. Es ist dabei zu bedenken, dass weder die Mutter noch die Tochter bis zum heutigen Tage in irgendeiner Form Beschwerden oder Behandlungsbedürftigkeit hatte. Ist das nicht zusätzlich auch noch ein Eingriff in die Freiheit der Selbstbestimmung?
Fazit:
Die gesetzlichen Definitionen, egal in welchem Bereich wir nachsehen, sind alles andere als klar. In diesem Fall stellt sich die grundsätzliche Frage, was ist eine Krankheit und was ein erhebliches Maß. Das Problem liegt beim Kunden/Vermittler, dieses ermessen zu können. Ich denke, dass diese offengelassene Aufgabe, die der Vermittler zu erfüllen hat eine sehr hohe Benchmark der Kompetenz darstellt. Dem entgegen wenn wir Vermittler in der Gesellschaft kaum anerkannt und schlussendlich durch die neuen Normen sogar als „zu führende Akteure“ bei der Vermittlung von Versicherungsschutz in das Lager der Versicherer gedrängt. Zeigt sich hier nicht schon die Fehlinterpretation und der Wirklichkeitsverlust der Behörden selbst? Ich erlaube mir den Hinweis, dass der Fisch am Kopf anfängt zu stinken.
Ich bin an diesem Fall seit 1,5 Jahren tätig, nicht nur, weil es mir um das Wohl der Kunden geht, sondern um das Prinzip, belegen zu können, dass wir Vermittler im Grunde eine Aufgabe übernommen haben, die nicht einmal Justiz in der Lage ist zu bewältigen. Schon aus diesen abstrakten Sachverhalten heraus ist es zwingend notwendig, dass man sich spezialisiert, damit man die Probleme in der Lage ist zu erkennen. Auch sollten die Behörden mal darüber nachdenken, dass die Tätigkeit vieler Vermittler, die im Beruf als Berufung ansehen genauso rechtlich relevant ist, wie die eines Anwalts. Der Anwalt hat eine Stundenlohn, sofort verdient. Wir Vermittler haften über Jahre.
Frank Dietrich Fachmakler