Die Pandemie hinterlässt überall Spuren. Die durch sie verursachten Probleme sind vielseitig, beginnend mit Betriebsschließungen, reichen sie über die Personenversicherungen hin zu Vertragsverhältnissen im Arbeitsrecht. Gerade erst veröffentlichte „ntv“ das Statement einer Arbeitsrechtlerin, die Konsequenzen bis hin zur Kündigung bei Reiserückkehrern nicht ausschloss, wenn diese in Quarantäne müssen. Was ist noch planbar?

Beim 5. Rechtssymposium in Frankfurt waren Themen dieser Art die Agenda des Tages. Zuvor dokumentierte die Qualitäts- und Transparenzinitiative des PremiumCircle Deutschlands, trotz der geringen Teilnehmerzahl, dass es weder eine Einheitlichkeit in der Interpretation zur Anzeigepflicht bei Anstragstellung, noch in der späteren Leistungsprüfung, beispielsweise in Bezug auf die versicherte Tätigkeit gibt.

Antragsfragen (Auszug)

„bestehen oder bestanden letzten drei Jahren Krankheiten, Unfallfolgen oder körperliche Schäden…“

„sind Sie in den letzten drei Jahren von Ärzten, Psychologen, Krankengymnasten oder Heilpraktikern über die bereits gemachten Angaben hinaus untersucht, beraten oder behandelt worden“?

„haben in den letzten fünf Jahren bei Ärzten, Heilpraktikern, Physiker-Psychotherapeuten oder sonstigen nichtärztlichen Therapeutenberatungen, Behandlungen oder Untersuchungen stattgefunden, wegen Krankheit oder Beschwerden….“

Berufsunfähigkeitsversicherung.

Was wird im Antrag gefragt? Sind es Impfungen? Sie stellen weder eine Beratung durch einen Arzt, noch  eine Behandlung begründet durch Krankheit da.  Ist eine Impfung ein derart gefahren erhöhender Umstand, der möglicherweise der spontanen Anzeigepflicht zuzuordnen ist?

Ist eine Quarantäne anzeigepflichtig, insbesondere dann, wenn keine Symptome einer Erkrankung vorlagen? Ist eine nachgewiesene Infektion ohne Symptome dem Versicherer mitzuteilen? Es gab keine Behandlungsbedürftigkeit und kein verändertes Befinden, denn das definiert Krankheit.

Wo findet sich ein möglicher Hinweis, Fernreisen, die zu einer Infektion hätten führen können, anzugeben? In der Leistungspraxis, wenn ein Antrag auf Berufunfähigkeitsrente gestellt wird,  fragt es sich, welche Tätigkeit geprüft wird? Die zuletzt ausgeübte war oft die Tätigkeit im Home-Office. Ein Anbieter teilte mit, die Tätigkeit vor dem Home-Office zu prüfen und damit meines Erachtens gegen Paragraf 172 VVG zu verstoßen. Zeitgleich müsste geklärt werden, ob die Pandemie vorübergehend ist oder andauern wird.

Der kurze Exkurs in die Fragestellungen verdeutlicht die Problematik. Die meisten Anbieter glänzten mit Abwesenheit. Sicher ist sicher, denn man könnte ja befragt werden.

Unklare Rechtsbegriffe, schwammige Formulierungen.

Der Leistungsfall ist durch den Anbieter steuerbar. Unterlagen der behandelnden Ärzte werden in den Obliegenheiten des Kunden verlangt, wenn dieser Leistungen beantragt. Für welchen Zeitraum die Unterlagen angefordert werden (können), ist nicht benannt. Die Fachrichtungen der Ärzte und die Menge der Unterlagen, die als notwendig erachtet werden, auch nicht. Neben irreführenden Begriffen wie „Befundtiefe“ und das Abstreiten der diagnostischen Bewertung durch ICD Codes reihen sich die pandemigeschuldeten Interpretationsmöglichkeiten mit ein. Das Versicherer Leistungen grundsätzlich nicht zahlen wollen ist damit nicht gesagt, gesagt ist, dass die Möglichkeiten nicht zu zahlen mehr geworden sind.

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2-2 Antragstellung und Leistungsregulierung während COVID-19

Entgegen der unterschiedlichen Deutungen bestehender Vertragswerke in der Berufsunfähigkeit dokumentierte kürzlich ein privater Krankenversicherer die Kürzung beim Tagegeld „entsprechend der Bestimmungen“. Der Versicherte, ein in Berlin tätiger Touristikführer hatte keine Arbeit. Entsprechend dem Einkommens des Vorjahres wurde auf 21 € täglich im Leistungsfall gekürzt.

Unverständlich, denn im Versicherungsvertragsgesetz gibt es das Äquivalenzprinzip.

Der Kunde hatte trotz geringeren Einkommens, davon ausgehend, dass der Zustand der Pandemie vorübergehend sei, den Beitrag für die erhoffte Leistung im Krankheitsfall weiter gezahlt. Die Krankheit, nicht pandemibedingt, lag sicherlich im Rahmen der Beitragskalkulation des Versicherers. Weshalb also die Kürzung? Weil man es eben kann.

Vermittler mit falscher Orientierung?

Die Veröffentlichung der Studie hat gezeigt, dass die Unsicherheiten in den Vertragsbestimmungen der Berufsunfähigkeitsversicherungen an zahl zugenommen haben. Die Kritik an ihr basiert meines Erachtens auf einem emotionalen Fundament. Es ist richtig und auch bedauerlich, dass nur sieben befragte Anbieter an der Studie teilnahmen. Die Kritik selber ist nicht verständlich, bezieht man sich doch argumentativ auf Ratings mit gleicher Teilnehmerzahl. Ich kann mich an eien Artikel zu Beginn der Pandemie erinnern, aus dem hervorgeht, dass das zitierte Ratingunternehmen die Infektionsklausel, die einige Fachleute zuvor für einen Werbegag hielten, in ihrer Leistung mit der Erkrankung des Versicherten in Verbindung brachten. Wahrscheinlich haben Sie diese nicht einmal gelesen, sich aber schon eine Meinung gebildet. Zudem ist die Interpretation, dass die befragten Unternehmen, die nicht antworteten grundsätzlich positiv regulieren würden, Schönmalerei.

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Zitat aus dem Versicherungsbooten vom 5. Juli 2021. (Allerletzter Absatz)

„Eine Infektionsklausel greift in den meisten Fällen nur, wenn ein Berufsverbot sechs Monate bestand oder voraussichtlich sechs Monate bestehen wird. Die Infektionsklausel wird so, wie es zurzeit aussieht, im Falle des Coronavrius nicht leisten. Menschen werden zwar nach Infektionsschutzgesetz (IfSG) unter Quarantäne gestellt, gelten nach wenigen Wochen aber wieder als geheilt“.

Die Absicht der Studie liegt nicht darin, die Berufsunfähigkeit in ein schlechtes Licht zu rücken. Dort steht sie bereits, denn sonst hätte sie mehr Akzeptanz in den Prämissen der Verbraucher. Sie ist und wird auch weiterhin einer der wichtigsten Absicherung unserer Zeit sein. Nicht zuletzt weil die Zahl der Ablehnungen der staatlichen Erwerbsminderungsrente, die keine wirkliche Versorgung darstellt, nicht unter 42 % pro Jahr fällt. Begrüßenswerter wäre, wenn man möglichst viele der unklaren Begriffe, wie oben erwähnt, definieren könnte. ICD Codes sind eindeutige Diagnostik zum Nachweis einer Erkrankung. Was sind ausreichende ärztliche Unterlagen? Welcher Zeitraum steht dahinter und welche Ärzte werden anerkannt?  Was ist zumutbar, wirtschaftlich zweckmäßig und sinnvoll oder auch ohne besondere Schmerzen? Was heißt im Sinne der Bestimmungen? Dazu wäre zusätzlich mehr Aufklärung zum Produkt selbst notwendig. Kaum jemand versteht, warum er eine Berufsunfähigkeitsversicherung für sein Kind, einen Schüler, abschließen soll. Werbung müsste aufklärend an den Markt gebracht werden – ohne dem Begriff „Beruf“ im Titel.

Es wäre zu empfehlen, die Vertragsinhalte, die man bewerten möchte auch zuvor gelesen zu haben. Die kritisierenden Vermittler, meist Makler, übersehen, dass es nicht darum geht den Versicherungsschutz in ein schlechtes Licht zu rücken. Dort befindet er sich bereits. Nicht, bei der PremiumCircle Deutschgland ihn kritisiert, sondern seines eigenen Verhaltens innerhalb der letzten Jahre wegen. Daran aber, obwohl zum Teil auf sie zurückfällt, üben die Vermittler keine Kritik.

Die Informationen, wo Unsicherheiten in der Anzeigepflicht liegen und vor ein Versicherer den Leistungsfall biegen kann, schuldet der Vermittler, vom Sachwalterurteil an seine Stelle gewesen, seinem Kunden. Sich kritisieren auf das Lager der Versicherer zu stellen verstößt gegen die Rechtsprechung. Bei Honorarberatern könnte man vermuten, dass unklare Bestimmungen begrüßenswert sind, denen Sie doch den Honorarauftrag im Sinne der eigenen Einnahme.

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